Strom in der Region

Wenn das Haus sich selbst versorgt

Energieautarkes Mehrfamilienhaus in Oberkirch

Energieautarkes Mehrfamilienhaus in Oberkirch

Fotocredit: Gemibau

- Lesezeit: 6 Min

Wohnkomplex erreicht Autarkiequote von 98,5 Prozent

Autarke Stromversorgung in einem Mehrfamilienhaus: Gibt es das überhaupt? Und ob! Zum Beispiel in der Esperantostraße in Oberkirch. Dort hat die Mittelbadische Baugenossenschaft Gemibau aus Offenburg – das genossenschaftlich organisierte Wohnungsunternehmen besteht seit 70 Jahren und ist mit rund 2800 Einheiten das größte Mittelbadens – in den Jahren 2017 bis 2019 einen 22 Wohneinheiten umfassenden 1960er-Jahre-Bau und seine Bewohner in wahre Nachhaltigkeits-Champions verwandelt.

Wie das geht, erklärt der Gemibau-Vorstandsvorsitzende Dr. Fred Gresens: „Jedes Jahr renovieren wir nach einem festen Sanierungsplan zahlreiche unserer Wohngebäude in der Region. Vor vier Jahren war schließlich der Komplex in der Esperantostraße an der Reihe. Wir haben das Dachgeschoss abgetragen und zwei Penthäuser draufgesetzt. Daraus ergab sich natürlich die Frage, was wir mit dem Dach anfangen“, erzählt er.

E-Werk Mittelbaden installierte Photovoltaikanlage, Blockheizkraftwerk und Batteriespeicher

Hier kam das E-Werk Mittelbaden ins Spiel, das dort eine Photovoltaikanlage installierte. Doch dabei blieb es nicht. Im Keller des Gebäudes entstand ein Blockheizkraftwerk. Und ein Batteriespeicher sorgt nun dafür, dass der grüne Strom auch nicht verloren geht.

„Auf diese Weise ist es uns gelungen, die rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Energieeffizienz bei der Gebäudesanierung zu erfüllen und eine Autarkie-Quote von 98,5 Prozent zu erreichen“, so Gresens.

Sprich: Das Gebäude versorgt sich quasi komplett selbst mit Strom. Eine Auswertung nach dem ersten Jahr hat ergeben, dass die 22 Wohneinheiten in zwölf Monaten rund 37 500 Kilowattstunden Strom verbraucht haben. Davon wurden nur 500 Kilowattstunden aus dem „normalen“ Netz bezogen. Der Rest kommt also aus der Eigenproduktion. Darüber hinaus wurden knapp 23 700 Kilowattstunden in das Stromnetz eingespeist.

Solaranlage auf dem Dach des Mehrfamilienhauses in Oberkirch.
© Gemibau

Ein Vorzeigeprojekt

„Für diese enorme Menge an selbst erzeugte Strom sorgen Leistungswerte von 27,36 kWpeak bei der Photovoltaikanlage, 5,5 kW elektrisch im Blockheizkraftwerk und eine Kapazität von 25 kWh beim Batteriespeicher“, erklärt Michael Mathuni, Energieberater beim E-Werk Mittelbaden.

„Das ist energietechnisch ein absolutes Vorzeigeprojekt, auch für uns“, so der Experte weiter, der auch auf die große Komplexität dieses Vorhabens verweist. „Wenn man drei Komponenten zur Stromerzeugung beziehungsweise -speicherung so zusammenschaltet, ist das nicht einfach.“

Schließlich sind alle wieder miteinander verbunden. „Ein Blockheizkraftwerk ist im Prinzip nichts anderes als eine Heizung, die selbst Strom erzeugt. Es steht – wie die meisten Heizungen – im Keller des Gebäudes“, erklärt der Experte. Letztendlich handelt es sich dabei um einen Verbrennungsmotor mit einem angeschlossenen Generator, der für die Stromerzeugung zuständig ist. Das Blockheizkraftwerk, erklärt Mathuni, sei natürlich vor allem im Winter von Vorteil. „Wenn viel geheizt wird, entsteht auch viel Strom.“ Als perfekte Ergänzung dient die Photovoltaikanlage auf dem Dach, die klima- und wetterbedingt insbesondere im Sommer für Strom sorgt. „Diese mit dem Blockheizkraftwerk zusammenzuschalten, war nicht einfach, aber unsere Experten haben hier ganze Arbeit geleistet. Das Flachdach in der Esperantostraße bietet aber auch ein enormes Potenzial, das wir unbedingt nutzen wollten“, sagt Mathuni. Damit von dem erzeugten Strom, den Photovoltaikanlage und Blockheizkraftwerk liefern, so wenig wie möglich verloren geht, baute das E-Werk Mittelbaden als zusätzliche dritte Komponente den Batteriespeicher ein. „Hier haben wir auf ein etwas größeres Modell als in normalen Einfamilienhäsuern üblich zurückgegriffen, da sich ja 22 Wohneinheiten in dem Haus befinden“, erklärt der Experte des E-Werk Mittelbaden. Der Speicher wird mit Strom aus der Solaranlage und dem Blockheizkraftwerk „befüllt“ und hält diesen zurück, beispielsweise tagsüber, wenn nur wenige Mieter zu Hause sind und der Stromverbrauch dementsprechend gering ist. Freigegeben wird er dann, wenn er benötigt wird. Auf diese Weise kann der auf dem Dach und im Keller erzeugte Strom ideal genutzt werden.

Sogar die Mieter anderer Gebäude wenden sich an uns und wollen wissen, wann wir ihre Häuser sanieren – dabei gehören die uns gar nicht DR. FRED GRESENS, VORSTANDSVORSITZENDER GEMIBAU

Kosten wurden geteilt

Das E-Werk Mittelbaden setzt ähnliche Projekte seit Jahren mit Erfolg um. Bei dem Vorhaben in der Esperantostraße in Oberkirch hat es die Kosten für die Photovoltaikanlage und den Batteriespeicher selbst getragen, ist deshalb auch für die Vermarktung des auf diese Weise erzeugten Stroms verantwortlich und übernimmt die energiewirtschaftliche Komplexität.

Die Investition in das Blockheizkraftwerk hingegen hat die Gemibau getätigt. „Den erzeugten hochwertigen Ökostrom können wir den Mietern mit einem Mieterstromsondertarif anbieten“, erklärt Michael Mathuni. Bis auf einige wenige Bewohner hätten sich auch alle dazu entschieden, diesen Strom zu beziehen. Überhaupt seien die Mieter in der Esperantostraße hellauf begeistert, in einem so nachhaltigen und quasi stromautarken Gebäude leben zu dürfen, fügt Dr. Fred Gresens an. „Natürlich war der Weg zu diesem Erfolg nicht immer einfach, denn wir haben die Sanierung des Hauses ja in bewohntem Zustand vorgenommen, quasi live vor den Augen der Bewohner“, erzählt Gresens. Am Anfang seien alle euphorisch gewesen, aber es habe Zeiten gegeben, da wurden die einzelnen Parteien mit jeder Menge Staub und Lärm konfrontiert. „Das findet dann nicht mehr jeder gut“, so Gresens weiter. Schlussendlich seien die Bewohner heute aber alle extrem zufrieden und stolz, in einem so nachhaltigen Mehrfamilienhaus zu leben. „Es rufen sogar Mieter aus Nachbarhäusern an und fragen mich, wann wir ihr Haus sanieren. Leider muss ich dann immer sagen, dass dieses Gebäude gar nicht der Gemibau gehört“, sagt Gresens und lacht.

 

Energieautarkes Mehrfamilienhaus mit Blick auf den Schwarzwald.
© Gemibau
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